Steueranwalt für Steuerrecht, Steuerstrafrecht in Frankfurt, Wiesbaden, Mainz

Schätzungen

Das Finanzamt darf nicht einfach so schätzen. Dennoch kommen Schätzungen gerade in einer BP häufig vor. Grundsätzlich ist die Buchführung bzw. die Aufzeichnungen der Besteuerung zugrundezulegen, § 158 AO.

Erschütterung der Beweiskraft der Buchführung

Sind jedoch schwerwiegende formelle Fehler oder sonstige Anlässe vorhanden, um dem Buchführungswerk bzw. den Aufzeichungen nicht zu trauen oder dies nicht prüfen zu können, kann im Einzelfall der Schätzungsweg eröffnet sein. In diesem Fall ist die Beweiskraft der Buchführung nach § 158 AO erschüttert oder genauer gesagt zerstört. Ist die Beweiskraft der Buchführung nach § 158 AO gestört, ist das Tor zur Schätzung nach § 162 AO eröffnet.

Die Schätzung ist die Ausnahme. Die Schätzung Voraussetzungen muss die Finanzverwaltung beweisen

Dabei muss aber klar sein, dass die Schätzung die Ausnahme ist und das Finanzamt darlegungs- und beweisbelastet dafür ist, dass eine Schätzungsbefugnis beim Finanzamt besteht. Da genügt es nicht, einfach darauf zu weil verweisen, dass die Ausbeutekalkulation zu einem höheren Ergebnis führt oder die Richtsatzsammlung andere höhere Werte etwa bei den Rohgewinnaufschlagsätzen aufzeigt.

Richtsatzschätzung (äußerer Betriebsvergleich)

Bei den Schätzungsmethoden ist der äußere Betriebsvergleich bzw. die Richtsatzschätzung dogmatisch extrem fraglich. Denn rein logisch stellt sich natürlich hier stets die Frage, warum der Berichtsbetrieb genauso gut laufen soll und genauso wirtschaftlich erfolgreich sein soll, wie die anonymen Masse der Betriebe in der Richtsatzsammlung.

Möglicherweise gibt es hier zahlreiche signifikante Unterschiede zwischen den Betrieben, sodass der Gerichtsbetrieb gar nicht diese Kennzahlen erwirtschaften kann, die eben die Betriebe in der Richtsatzsammlung haben. Zudem wirft sich natürlich die Frage auf, ob die Betriebe in der Richtsatzsammlung überhaupt repräsentativ sind. So wie Menschen unterschiedlich sind, so sieht Unternehmer unterschiedlich und so sind auch Betriebe unterschiedlich. Entsprechend sind auch die Rohgewinnaufschlagsatz und Rohgewinn oder Reingewinne unterschiedlich. Diese Unterschiede rechtfertigen keine Schätzung und auch nicht die Behauptung, dort würde hinterzogen werden.

Prüfungsergebnisse von ca. 4000 Betrieben sollen repräsentativ sein für 8,5 Millionen Betriebe

Von 8,5 Millionen Betrieben werden ca. 150.000 Betriebe pro Jahr geprüft und von diesen 150.000 Prüfungen werden ungefähr 4000 Prüfungsergebnisse für die Richtsätze ausgewertet. Diese ca. 4000 Prüfungsergebnisse verteilen sich auf ca. 70 Branchen oder wenn man die größten Differenzierungen noch zusätzlich berücksichtigt in ungefähr 140 verschiedene Fächer.

Anpassung der Richtsätze nur alle vier Jahre?

Und warum die Richtsätze dann nur alle vier Jahre geänderten angepasst werden ist ohnehin unklar.

Aus welchen Jahren stammen eigentlich wirklich die Daten der Richtsätze?

Und von wann genau die einzelnen Betriebsprüfungsergebnisse kommen, ist völlig im Dunkeln. So werden doch normalerweise Betriebsprüfungsanordnung für drei zusammenhängende Jahre erlassen. Wie können beispielsweise dann Betriebsprüfungsergebnisse von Richtsatz geprüften Betrieben in der Richtsatzsammlung 2021 aus dem Jahr 2021 enthalten sein? Wer also glaubt, in der Richtsatzsammlung 2021 wären Betriebsprüfungsergebnisse aus 2021 irrt. Denn in 2021 sind doch noch gar nicht die Steuererklärung der betreffenden Betriebe für 2021 abgegeben, da diese Jahre doch noch laufen. Die Steuererklärung kann doch erst nach Abschluss des entsprechenden Kalenderjahres abgegeben werden. Dies bedeutet also im Umkehrschluss, dass in der Richtsatzsammlung 2021 denknotwendig keine Prüfungsberichte aus dem Jahr 2021 über das Jahr 2021 enthalten sein können.

Sind Betriebe mit einem abweichenden Wirtschaftsjahr auch in der Richtsatzsammlung?

Und was ist mit Betrieben, die ein abweichendes Wirtschaftsjahr haben? Scheiden die als Richtsatzbetriebe generell aus, weil man nicht weiß, welcher Teil deren Wirtschaftsjahres in welches Kalenderjahr der Richtsatzsammlung dann gesteckt werden könnte oder sollte?

Welche Daten aus welchen Jahren stecken also tatsächlich in der Richtsatzsammlung?

Aber bei den Betrieben, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, die können doch frühestens Anfang des Folgejahres eine Erklärung einreichen und wenn diese gleich geprüft werden würde, wären doch die Kennzahlen des Betriebes frühestens Mitte oder Ende 2022 durch einen Bericht vorhanden, der aber dann naturgemäß nicht mehr in der Richtsatzsammlung 2021 erscheinen kann. Welche Daten stecken also wirklich beispielsweise in der Richtsatzsammlung 2021? Sind das etwa die Jahre 2017 bis 2019 der richtsatzgeprüften Betriebe?

Was passiert, wenn das Rechtsbehelfsverfahren gegen die Feststellungen in den Richtsatz-Prüfungsberichten gibt?

Und wenn es Rechtsbehelfsverfahren gegen die Feststellungen des Prüfers gibt, verschiebt sich erst dann noch mehr? Haben wir dann in 2021 Betriebsprüfungsergebnisse von Richtsatz Prüfungen aus den Jahren 14-16? Die Finanzverwaltung gibt hierzu keine Auskunft. Und wenn es Einspruchsverfahren und gegebenenfalls Änderung der Feststellung gibt, wie wirkt sich das rückwirkend auf die Richtsatzsammlung aus? Haben Sie schon einmal erlebt, dass eine Richtsatzsammlung nachträglich geändert wird, weil verschiedene richtsatzgeprüften Betriebe mit den Feststellung nicht einverstanden waren, Einsprüche eingelegt haben oder gar geklagt haben und dann die Feststellungen geändert wurden? Oder sind in den Richtsatzsammlung einfach nur ein paar betriebliche Auswertungen von Betriebs Prüfungsberichten, gleichgültig ob diese später geändert werden oder nicht?

Warum werden eigentlich die elektronische eingereichten Daten nicht flächendeckend für alle Betriebe und alle Branchen ausgewertet?

Und warum nicht ohnehin alle elektronisch erklärenden Betriebe unmittelbar Eingang in die Richtsätze finden, erklärt sich ohnehin nicht und warum einzelne Branchen nicht in der Richtsatzsammlung auftauchen und daher dort keine Schätzung nach der Richtsatzsammlung deswegen möglich sind, erscheint unter dem Blickwinkel der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1 GG kaum nachvollziehbar.

Ist es nicht merkwürdig, einem Betrieb bei seinen Erklärungen für 21 die Richtsatzsammlung für 21 entgegenzuhalten, die Daten vielleicht aus den Jahren 14-19 enthält?

Und wie merkwürdig ist es dann, wenn dann dem Berichtsbetrieb für seine Erklärungen für 2021 die Richtsatzsammlung für 2021 entgegengehalten wird, die in Wahrheit vielleicht Betriebsergebnisse aus den Jahren 14-19 enthält?

Richtsatzsammlung als intransparente Blackbox

Und wie kann sich der Steuerpflichtige gegen solche blackboxartigen Vorhaltungen eigentlich sachgerecht verteidigen? Ist diese Blackbox nicht ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG, weil man sich gegen eine derartig anonymisierende Masse nicht sachgerecht verteidigen kann, da man die Besonderheiten der in der Richtsatzsammlung gesammelten betrieblichen Daten und vor allem die Besonderheiten der dortigen Betriebe gar nicht kennt und daher die Unterschiede gar nicht offenbaren und diskutieren kann? Was vergleicht man also eigentlich wirklich? Berichtsbetrieb mit unbekannter, intransparenter Blackbox?

Grundlegendes Problem beim äußeren Betriebsvergleich: Die Annahme, alle Betriebe wären gleich erfolgreich ist einfach falsch  – der Umkehrschluss, wenn die Betriebe ungleich laufen, dass dann hinterzogen werden müsse, ist genauso falsch

Und ist es nicht ein ganz grundsätzliches Problem beim äußeren Betriebsvergleich, wenn man annimmt, jeder Betrieb müsse gleich erfolgreich laufen? Muss es nicht Lagenachteile oder Standortvorteile geben oder durch unterschiedliches Personal und unterschiedliche Werbung, unterschiedliche Ausrichtung aber auch unterschiedlich liebevoll oder gut hergestellte Produkte zu Unterschieden zwangsläufig kommen? Woraus rechtfertigt sich der Gedanke, dass Betriebe vergleichbar sind und alle ein gleich gutes Betriebsergebnis erwirtschaften müssten?

Der äußere Betriebsvergleich unterstellt, dass alle Betriebe gleich gut laufen und es auf individuelle Unterschiede nicht ankommt. Deswegen sind nach dem Gedanken des äußeren Betriebsvergleichs Auffälligkeiten angeblich gleich eine Hinterziehung

Wenn alle Betriebe gleich gut laufen würden, wäre es doch völlig gleichgültig, welche Ausbildung der Unternehmer hat, wie geschickt oder innovativ oder engagiert er ist. Dann würde er ohnehin den selben Rohgewinnaufschlagsatz haben, gleichgültig wie er wirtschaftet und welche betriebswirtschaftlichen Fehler er in seinem Betrieb macht oder wie die Köche und die Küchenhilfen mit dem Material in der Küche umgehen: Sparsam oder verschwenderisch. Das würde alles keine Rolle spielen, wenn die Arbeitsthese der Finanzverwaltung richtig wäre, dass über den äußeren Betriebsvergleich geprüft werden kann, dass dann, wenn die Betriebe nicht gleichen Rohgewinnaufschlagsatz haben, bei dem schlechteren Betrieben hinterzogen wird. Aber stimmt das denn? Sicher nicht!

Beispiel Gastronomie: 28 Betriebsberichte sollen für 600.000 Betriebe repräsentativ sein?

Damit entfallen, wenn man beispielsweise die Gastronomie sich ansieht, bei 600.000 Betrieben statistisch 28 Prüfungen für Gaststätten auf die Richtsätze. 600.000 Betriebe werden also geprüft, ob sie die Kennzahlen dieser 28 Betriebe ungefähr erreichen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen diese 28 Betriebe angeblich für diese Branche repräsentativ sein. Dann liegen also 0, 000046 % der Branche hier den Richtsätzen zugrunde.

Auswahl der richtsatzgeprüften Betriebe

Wenn man sich nun überlegt, wer die 28 Betriebe ausgewählt hat: Das sind entweder die Amtsvorsteher oder die Haupt Sachgebietsleiter oder Sachgebietsleiter in den einzelnen Prüfungsfächern. Deren Auswahlkriterien werden aber wieder veröffentlicht, noch überprüft. Was ist also daran bitte repräsentativ?

Grundsätze jeder Schätzung: Alle Umstände des Einzelfalls sind zu berücksichtigen und zu würdigen

Grundsätze der Schätzung: Alle Umstände des Einzelfalls sind zu berücksichtigen
Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

Steueranwalt Dr. Jörg Burkhard

Probleme mit dem Finanzamt? Probleme mit der Verwerfung der Buchführung oder hohe Schätzungsbescheide vom Finanzamt erhalten? Dann fragen Sie den Abwehrspezialisten Dr. Jörg Burkhard um Rat. Er ist der Fachmann für streitigen Steuerrecht, Steuerstrafrecht, Betriebsprüfung, Steuerfahndung, Zollfahndung, FKS. RA Dr. Jörg Burkhard ist der Spezialist für alle Prüfung- und Schätzungsmethoden, Kasse, Kassennachschau, Selbstanzeige, Tax Compliance. 0611 – 890910 oder 069 – 87005100.

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