Kassennachschau Bareinnahmen, Steueranwalt Dr. Jörg Burkhard

Kassennachschau Wen betrifft das eigentlich?

Kassennachschau … wen betrifft das eigentlich?

Die Frage: „Kassennachschau … wen betrifft das eigentlich?“  kann man so beantworten: nur die Selbständigen, nur die Unternehmen. Hier aber auch nicht alle. Diejenigen Selbständigen, die keine Kasse haben und auch keine brauchen, betrifft es nicht. Alle anderen Selbständigen (Gewerbetreibende, Freiberufler, Unternehmer) mit umfangreichen Bargeldumsätzen (sog. bargeldintensive Betriebe) kann die Kassennachschau treffen.

Und wer braucht nun noch eine Kasse? Das hängt davon ab, ob diese nach ihrem Geschäftsmodell eine Kasse einrichten müssen oder nicht. Ob also der Betrieb auf viele Bareinnahmen eingerichtet ist, so dass das Geschäftsmodell dauernd Barumsätze erfordert.

Der Steuerberater, der also z.B. so gut wie nie Bareinnahmen hat, vielleicht nur 2 oder 3 Barzahler hat und der Rest alles auf das Konto überweist, braucht nach seinem Geschäftsmodell keine Kasse. Der kann die paar wenigen Einnahmen auch in einer laufenden Mitschrift erfassen. Der Friseur, Autohändler, Bäcker, Metzger, Wirt, Einzelhändler hat nach seinem Geschäftsmodell nur oder jedenfalls viele Barumsätze, so dass er eine Kasse braucht.

Ausweg: Umstellung von bargeldintensiv auf bargeldlos

Aber es gibt auch Händler, die kein Bargeld mehr möchten, die alles nur über Lieferschein und Rechnung verkaufen … die brauchen dann auch keine Kasse nach ihrem Geschäftsmodell. Wechselt man also von Barzahlung auf Vorkasse und Rechnung bzw. Kredikartenzahlung und Kartenzahlung, wird man vom ggf. bargeldintensiven Betrieb zum risikoarmen bargeldlosen Betrieb. Der so wechselnde Unternehmer kann getrost auf die Frage, „Kassennachschau … wen betrifft das eigentlich?“ sich entspannt zurücklehnen: ihn nicht mehr.

Wie geht nun die Kassennachschau?

Nun, die funktioniert im Prinzip wie die Lohnsteuer-Sonderprüfung oder die Umsatzsteuer-Nachschau. Nur eben speziell auf die Kasse ausgerichtet. Das Ganze hat seinen Ursprung darin, dass der Bundesrechnungshof 2003 beanstandete, dass durch Kassenmanipulationen dem Fiskus rund 10 Mrd. € Steuern jährlich durch die Lappen gehen

… das war nur eine Hochrechnung, eine Schätzung … 

aber Grund, Anlass und Verpflichtung des Fiskus sich um dieses Thema genauer zu kümmern, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, also letztlich die Lastenverteilung möglichst korrekt oder jedenfalls korrekter und genauer umzusetzen als bislang. Es geht also letztlich um Umverteilungen durch Steuern und um

Belastungsgerechtigkeit:

nur wenn alle Einnahmen korrekt und vollständig erfasst sind, ist einerseits das vollständige Steueraufkommen festzusetzen und zu erheben und andererseits eine Belastungsgerechtigkeit herzustellen, indem Freiräume, die rechtswidrig geschaffen wurden, geschlossen werden.

Denn warum soll einer alles angeben, wenn der Unternehmer gegenüber mit seiner Kasse nur die Hälfte oder was auch immer angibt? Denn letztendlich geht es allen besser, wenn alle korrekt ihre Steuern aufzeichnen und erklären.

Also ein richtiger Weg zu mehr Gerechtigkeit. Problem erkannt – Problem gebannt?

Es hat ein wenig gedauert und wir sind sicher noch lange nicht am Ende. Aber die Kassennachschau ist sicher ein wichtiger und richtiger Weg zur raschen (rascheren) und effizienten (effizienteren) Kontrolle als bislang. Es kommt natürlich darauf an, wie das Gesetz durch die vollziehenden Finanzbeamten mit Leben erweckt wird.

Aber mit Verabschiedung des Gesetzes gegen Kassenmanipulationen vom 28.12.16 (Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016, verabschiedet am 28.12.16, in Kraft getreten am 29.12.16) ist klar, dass zum 01.01.18 die Kassennachschau bei allen eine Kasse führenden Betrieben kommen kann.

Bei den größeren Bargeldumsätzen bzw. bei den elektronischen Registrierkassen wohl zuerst oder verstärkt. Oder auch bei all jenen, bei denen vielleicht noch eine Betriebsprüfung aus den Altjahren läuft und bei denen die Kasse von der Betriebsprüfung als nicht ordnungsgemäß beanstandet wurde. Ist die Betriebsprüfung schon abgeschlossen? Dann wäre es doch aus Sicht des Finanzamtes interessant, mal schnell zu gucken, wie das heute bei Ihnen läuft und ob es vielversprechend oder nötig wäre, mal wieder intensiver bei Ihnen zu prüfen….

Folgefehler nach BP-Zeitraum

Schließlich erwartet auch die BP, dass beanstandete Fehler abgestellt werden, also Folgefehler nach Abschluss der BP in den, den Prüfungszeiträumen nachfolgenden Jahren berichtigt werden und natürlich auch in den Folgejahren abgestellt werden bzw. in der Zwischenzeit weiter entstandene nach Ende des BP-Zeitraumes, die sich wie ein roter Faden aus der BP fortsetzen nun berichtigt werden.

Das kann man dann schnell mit der Kassennachschau prüfen:

Kassennachschau als Vorprüfung oder eine grobe Kontrolle ähnlich wie ein Kamm, der durchs Haar fährt: die Knoten, Knötchen und Zausel bleiben darin hängen

Das ist im Prinzip so wie ein Kamm: man zieht mal schnell mit einem (groben) Kamm durchs Haar und die Knoten, Knötchen und die Zausel bleiben hängen

…. man geht mal mit den Kassennachschauern schnell durch die Steuerpflichtigen mit einer Kasse durch und die Problemfälle bleiben hängen – da geht man dann als Prüfer zur Betriebsprüfung über und bleibt dann schon mal länger – oder wenn es ganz schlimm ist, bleibt man gar nicht lange, sondern holt die Steuerfahndung.

Aber auch bei all jenen, bei denen eine Betriebsprüfung noch nicht abgeschlossen ist, bei denen aber noch über die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung oder der Buchhaltung gestritten wird: da rentiert es sich doch auch mal vorbeizuschauen, um zu sehen, wie es heute läuft…

oder wie würden Sie das machen, wenn Sie Finanzamt wären …?

Und wer ist noch prädestiniert für eine Kassennachschau?

Na alle die, die aus irgendwelchen Gründen im Verdacht stehen, nicht alle Bareinnahmen ordnungsgemäß zu erfassen:

  • …bei denen die Umsätze nach Richtsatz nicht passen,
  • … bei denen, die nur Verluste erklären aber dennoch von irgendetwas leben müssen,
  • … bei denen eine Fremdanzeige vorliegt,
  • … bei denen, die eine Selbstanzeige hinsichtlich betrieblicher Einnahmen machten,
  • … bei denen, die schon mal wegen einer Hinterziehung oder Kassenmanipulationen aufgefallen sind,
  • … bei denen eine Branchengeneigtheit besteht oder bei denen es Branchenerfahrungen gibt

An dieser Stelle mal eine Rückfrage so ganz unter uns im Vertrauen: Branchenerfahrungen hinsichtlich einer unvollständigen Einnnahmeerfassung lassen sich wohl jederzeit für alle Branchen darstellen und Prüfererfahrungen auch … also kommt grundsätzlich jeder in Betracht, der eine Kasse führt oder führen müsste.

Kommen wir also auf die Frage zurück: „Kassennachschau … wen betrifft das eigentlich?“ Antwort: alle die, die eine Kasse (noch) haben. Alle die also noch Bargeld annehmen. Probleme bei der Kassennachschau: hier hilft der Steueranwalt Dr. Jörg Burkhard, Frankfurt, Wiesbaden, Rhein-Main, bundesweit.

weitere Kriterien für eine Kassennachschau: Prüfererfahrungen

Und soweit man eine Begründung bräuchte, ließe sich immer „allgemeine Steueraufsicht“ einerseits oder „Branchenerfahrung“ oder „Prüfererfahrung“ ganz allgemein wohl stets als Rechtfertigung, warum gerade Sie dran sind, behaupten …

Umgekehrt: diejenigen, die gerade eine Prüfung ohne Beanstandung hatten und bei denen die Kasse ordnungsgemäß war, die sind wohl raus … wenn nicht gerade das Finanzamt hier einen Musterfall ordnungsgemäßer Kassenführung etwa für Schulungszwecke den eigenen Auszubildenden vorführen möchte …

Wenn Sie also keine Kasse mehr haben und kein Bargeld mehr annehmen, sind Sie raus: Die Frage „Kassennachschau … wen betrifft das eigentlich?“ können Sie dann getrost verneinen.

Übergang von der Kassennachschau zur Betriebsprüfung

Der Kassennachschauer kann von der Kassennachschau zur Betriebsprüfung übergehen. Ob er eine Begründung nach § 121 AO braucht, ist nicht klar. Den Umstieg muss er aber dokumentieren und schriftlich dem Steuerpflichtigen übergeben. Diese kann gegen den Übergang zur Betriebsprüfung Einspruch einlegen. Spätestens hier brauchen Sie den Steueranwalt Dr. Jörg Burkhard. Der kennt das Steuerrecht, aber auch die Steuerstrafrecht. Hier werden Sie kompetent betreut. Alles aus einer Hand in der schwierigen Situation zwischen Steuerrecht, Betriebsprüfung und Steuerstrafverfahren bzw. kurz vor einer Steuerfahndung, also vor einer Durchsuchung.

Mit der Abschaffung des Bargelds bzw. mit der Annahme von Bargeld in Ihrem Betrieb lösen Sie für sich ganz individuell das Problem: „Kassennachschau … wen betrifft das eigentlich?“ Mancher Betriebsinhaber will oder kann aber nicht auf die Bargeldannahme verzichten oder glaubt jedenfalls er könne es nicht, es gäbe zu viele Nachteile für ihn, wenn er sich dazu entschließe. Für ihn gilt dann noch: „Kassennachschau … wen betrifft das eigentlich?“ Na ihn, weil er noch eine Kasse hat und nach seiner Art und Weise seiner Einrichtung seines Geschäfts auch haben möchte.

Dr. Jörg Burkhard, Rechtsanwalt bei Betriebsprüfung und Steuerstrafverfahren, Steueranwalt bei Kasse, Kassenproblemen und Kassennachschau

Sie brauchen Hilfe? Hier hilft der Rechtsanwalt Dr. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Betriebsprüfung, Kassenprobleme, Kassennachschau, der top-Steueranwalt im Steuerrecht und Steuerstrafrecht, Frankfurt, Wiesbaden, Rhein-Main, bundesweit, 0611-890910

Dr. jur. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Anwalt für Steuerstrafrecht, Anwalt für Betriebsprüfungen

Scheinrechnungen

Der Anwalt im Steuerrecht und Steuerstrafrecht Dr. Jörg Burkhard hilft. Rechtsanwalt Dr. Jörg Burkhard ist Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht. Dr. Jörg Burkhard ist spezialisiert auf Steuerstrafrecht, Steuerfahndung, Zollfahndung (Finanzkontrolle Schwarzarbeit, FKS). Der Fachanwalt für Steuerrecht ist Spezialist bei Betriebsprüfungen, digitaler Betriebsprüfung, alle Analysemethoden der Finanzverwaltung und der Zollfahndung. Frankfurt, Wiesbaden, Rhein-Main, bundesweit, 0611-890910

Dr. jur. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Anwalt für Steuerstrafrecht, Anwalt für Betriebsprüfungen

tatsächliche Verständigung

Ablauf:

Lassen Sie sich den Entwurf der Tatsächlichen Verständigung stets zusenden. Unterschreiben Sie nie unter Zeitdruck. Sätze wie, dass Sie die nur heute unterschreiben können oder nur 30 Minuten Überlegenszeit oder nur bis 14 Uhr Bedenkzeit haben, sollten Sie abschrecken. Unter solchem Druck und ohne ausreichende Prüfung des Textes durch einen Fachmann und ohne Prüfberechnung der sich daraus ergebenden Steuern sollten Sie niemals eine Tatsächliche Verständigung unterschreiben.

Steueranwalt für Steuerrecht, Steuerstrafrecht in Frankfurt, Wiesbaden, Mainz

Nichtzulassungsbeschwerde BFH

Dr. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Anwalt für Betriebsprüfungen und Steuerfahndung. Spezialist für finanzgerichtliche Klageverfahren und Nichtzulassungsbeschwerden und Revisionen zum BFH.  Der top Steueranwalt. Frankfurt, Wiesbaden, Rhein-Main, bundesweit 0611-890910

Steueranwalt für Steuerrecht, Steuerstrafrecht in Frankfurt, Wiesbaden, Mainz

Einzelaufzeichnungspflicht

RA Dr. Jörg Burkhard zu Finanzgericht und Beweiserhebung

Finanzgericht und Beweiserhebung

Dr. jur. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht, Anwalt für Steuerstrafrecht, Anwalt für Betriebsprüfungen

Achtung Steuerhinterzieher: Bald wieder Ermittlungen bis 1990 zurück: die DM kommt wieder

So kommt fast durch die Hintertür der zu Recht abgeschaffte Fortsetzungszusammenhang, bei dem man über Jahrzehnte hinweg zurück verfolgen und bestrafen konnte, durch die Einziehungsmöglichkeiten über 30 Jahre zurück wieder zum Vorschein.

Aus einem BP Bericht – ein kleines Gewinnspiel für Sie

Aus einem BP Bericht: – ein kleines Gewinnspiel für Sie:

Mängel der Kassenführung im Prüfungsfall:

  1. Die Registrierkassenstreifen oder Tagesendsummenbons wurden nicht vollständig aufbewahrt (vergleiche hierzu Abschnitt 29 Abs. 3 EStG)
  2. Die Tagesendsummebons enthielten nicht die erforderlichen Angaben (keine Trennung von Zahlungswegen, keine Trainingskellner)
  3. In einigen Fällen stimmten die Einnahmebuchungen im Kassenbuch mit den Kassenbons oder Tagesendsummenbons nicht überein
  4. Die Kassenbestände zu den Bilanzstichtagen wurden durch Schätzung ermittelt
  5. Zählprotokolle fehlen, so dass davon auszugehen ist, dass die Kasse nur rechnerisch geführt wurde
  6. Es erfolgte keine zeitnahe und zeitgerechte Erfassung der Geschäftsvorfälle
  7. Die Kassenabrechnungen wurden nachträglich am nächsten Morgen erst erstellt
  8. Es erfolgte keine vollständige und zeitgerechte Aufzeichnung der Privatentnahmen und des Eigenverbrauchs
  9. Kassenfehlbeträge wurden festgestellt
  10. Zur Vermeidung von Kassenminusbeträgen wurden Einlagebuchungen vorgenommen, deren Herkunft jedoch nicht nachgewiesen werden konnte
  11. Zur Vermeidung von Kassenfehlbeträge wurden nicht nachgewiesene Darlehen Dritter gebucht und behauptet
  12. Die Herkunft von Geldmitteln zur Bestreitung von Bareinlagen (in Kasse und Bank) konnte nicht nachgewiesen werden
  13. Das Kassenbuch bzw. der Kassenbericht wurde mit einem Excel-Kalkulationsprogramm erstellt
  14. Die Eintragungen im Kassenbuch erfolgten nicht chronologisch
  15. Die Bareinnahmen wurden monatlich in einer Summe ins Kassenbuch eingetragen
  16. Das Kassenbuch wurde vom Steuerberater erstellt
  17. Es wurden keine zur Bestreitung des Lebensunterhalts notwendigen Barmittel entnommen und gebucht
  18. Die Tageseinnahmen das Hauptbetriebes und der im Prüfungszeitraum bestehenden Filialen wurde ohne Nachweis der Einzelbeträge in einer Summe im Kassenbuch eingetragen

Aufgrund der vorgenannten formellen und materiellen Mängel liegt nach Auffassung der BP im Prüfungszeitraum keine ordnungsgemäße Kassenführung vor.

Wegen dieser erheblichen Mängel der Kassenführung ist nicht gewährleistet, dass das vorliegende Ergebnis der Buchführung dem Betriebsergebnis entspricht, dass sich bei ordnungsmäßiger Kassenführung ergeben hätte. Es ist daher eine Schätzung bzw. ergänzende Schätzung vorzunehmen, Paragrafen 162 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 158 AO.“

Anmerkung:

 

Ist die Einschätzung der BP zutreffend?

Was sagt die Rechtsprechung?

Nach der BFH Rechtsprechung müssen die Fehler in der Buchführung die Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Dies ist wohl für jeden Fehler gesondert festzustellen. Sodann ist für jeden einzelnen Fehler zu prüfen, ob dies ein formeller Fehler auf der Einnahmenseite ist. Erst wenn er erheblich ist, führt dies zur Verwerfung der Buchführung. Dafür genügt allerdings schon ein formeller erheblicher Fehler. Formelle Fehler auf der Einnahmenseite, die nicht erheblich sind, führen nicht zur Verwerfung der Buchführung, selbst wenn es mehrere formelle Fehler sein sollten (andere Auffassung die Finanzverwaltung, vergleiche Abschnitt 158 AEAO – bislang vom BFH so nicht bestätigt).

können mehrere eigentlich für sich betrachtet unerhebliche Fehler addiert und zu einem erheblichen Fehler werden?

Warum auch die Addition isoliert betrachtet unerheblicher Fehler zu einer Verwerfung der Buchführung und zu einer Zuschätzung führen können soll, wie dies die Finanzverwaltung meint, erschließt sich nicht. Ein erheblicher Fehler auf der Einnahmenseite (man könnte hier auch von einem erheblichen Aufzeichnungs- oder Aufbewahrungsfehler auf der Einnahmeseite sprechen), führt zur Verweigerung der (Kassen-)Buchführung und zu einer Zuschätzung oder jedenfalls zu einem Zuschlag, § 162 AO (vergleiche BFH, Urteil v 25., März 15 x R 20/13). 

wann führen Fehler in der Buchführung zu einer Verwerfungsbefugnis?

Formelle Fehler auf der Ausgabenseite führen nie zu einer Verwerfungsbefugnis der Finanzverwaltung. Denn wenn nur die Ausgaben fehlerhaft erfasst sind, hat dieses kein Einfluss auf die Frage der Vollständigkeit der Einnahmeerfassung. Wenn die Ausgaben falsch oder gar nicht erfasst sind, heißt das doch nicht, dass die Einnahmen nicht stimmen. Es sei denn, es gibt weitere Wareneinkäufe, die nur mit dem Zweck nicht erfasst sind, sie schwarz zu verkaufen. Das wird man nicht aus einem versehentlich nicht erfassten Einkauf schließen können. Schon gar nicht, wenn es nur eins oder zwei nicht gebuchte Einkäufe gibt. Anders ist das vielleicht, wenn regelmäßig weitere Einkäufe erfolgen.

Dann muss man allerdings prüfen, ob das private Einkäufe sind, ob also die Mengen und Produkte passen. Es könnten schließlich auch Mitarbeiter-Einkäufe sein, die auf die Metro-Karte des Chefs für privat einkaufen. Wenn aber Struktur dahinter ist, Produkte und Mengen passen, dann kann es auch ein weiterer Einkauf des Betriebes sein.

Daher wird die Betriebsprüfung stets nicht erfasste Einkäufe bzw. nicht gebuchte Einkaufsquellen kritisch beäugen und die sog. Parallelverkürzung prüfen. Bei der Parallelverkürzung sind die Einkäufe nicht erfasst. Das sind zwar Betriebsausgaben, aber die Betriebsprüfung soll diese Einkäufe nicht sehen und nicht bei einer Ausbeutekalkulation verproben können.  Ziel ist es unbemerkt daraus schwarze Umsätze zu erwirtschaften. Das ist in der Praxis kaum möglich, wenn die Waren nicht rein verkauft, sondern verarbeitet und gemischt werden.

Beispiel:

Ein Produkt (Cola-Dose) kann man offiziell einkaufen und offiziell wieder verkaufen. Dasselbe Produkt kann man auch zusätzlich einkaufen, bringt die Rechnung nicht in die Buchführung und verkauft es schwarz wieder. Dann ist der Rohgewinnaufschlag angeblich nicht kalkulierbar. Probleme tauchen auf, wenn bei demselben Verkäufer bar und auf Rechnung gekauft wird, wenn dieser steuerlich geprüft wird. Wird bei einem anderen Händler nur bar eingekauft und die Eingangsrechnung nicht verbucht, ist das schon schwieriger für die Betriebsprüfung zu ermitteln. Es fällt allerdings auf, wenn der Händler regelmäßig an Stammkunden größere Mengen verkauft, ohne die zu erfassen. Und kleine Mengen mal hier und da zu kaufen, bringt letztlich nicht viel Potential und ist zu arbeitsintensiv. Also mal zu dem einen Verkäufer zu fahren und dann zum nächsten um dann ein paar Dosen nur zu kaufen, was letztlich dann vielleicht nicht auffallen würde, macht keiner.

Bei Mischprodukten wie Nudeln oder Reis oder Pommes etc. müssten die Mischprodukte im richtigen Verkaufsverhältnis ebenfalls ohne die Rechnungen zu buchen, gekauft werden. Hier die richtigen Mischverhältnisse zu treffen, ist nahezu unmöglich.

Sind materielle Fehler festgestellt, ist also materielles Steuerrecht falsch angewandt, ist dies natürlich stets zu korrigieren. Dies sind aber nur einzelne singuläre Korrekturen und dies führt nie zu einer Verwerfung der Buchführung. Materielle Fehler sind beispielsweise die versehentlich doppelte Erfassung einer Betriebsausgabe oder die versehentliche Nichterfassung eines Tagesendsummenbons, die versehentlich vorgenommene sofortige Absetzung eines Wirtschaftsgutes statt der notwendigen Aktivierung, die Wahl eines zu kurzen AfA-Zeitraumes usw.

Parallel wird Steuerstrafverfahren eingeleitet.

In der Regel wird dann parallel ein Steuerstrafverfahren eingeleitet.

Sie haben ein solches Problem? Dann brauchen Sie Rechtsanwalt Dr. jur. Jörg Burkhard, den Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht, den Spezialisten im Steuerstrafrecht,

Gewinnspiel:

Welche der vorstehend von der BP beanstandeten Punkte berechtigen nun wirklich zur Verwerfung der Buchführung? Welche der 18 Punkte führen sind im Umkehrschluss unerheblich? Nennen Sie nur entweder die erheblichen oder die unerheblichen Textziffern … Mehrfachnennungen sind nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich …. Aber Vorsicht: nicht jeder Punkt ist ein Treffer. Die Antwort: 1-18 ist sicher falsch, das will ich hier schon verraten ….

Schreiben Sie mir die richtige Lösung. Die ersten 10 Einsender mit den richtigen Lösungen erhalten ein kleines Geschenk von mir.

Ähnliche Probleme?

Schwierigkeiten in einer BP?

Ärger mit dem Finanzamt? Schätzung? Strafschätzung? Steuerfahndung? Steuerstrafverfahren? Zollfahndung? Selbstanzeige erforderlich? Dann rufen Sie an: 0611-890910, Rechtsanwalt Dr. jur. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht, Frankfurt, Wiesbaden, Rhein-Main, bundesweit

 

Die Offenlegungs – und Hinweispflichten bei finanzgerichtlichen Schätzungen

Die Offenlegungs – und Hinweispflichten bei finanzgerichtlichen Schätzungen
-zugleich Kritik an BFH, Beschluss v 19.01.18, X B 60/17-

Von Dr. jur. Jörg Burkhard, Fachanwalt für Steuerrecht und Strafrecht, Wiesbaden

Sachverhalt: Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren wie auch bereits zuvor zwei, phasenweise drei, Gastronomiebetriebe und erzielte hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Nachdem er 2005 ein Mietwohngrundstück gekauft hatte, dessen Besitz, Nutzungen und Lasten zum 30. Dezember 2005 übergingen, erzielte er seit 2006 u.a. auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger legte gegen die teilweise nicht (nämlich hinsichtlich der Absetzungen für Abnutzung —AfA— für das Vermietungsobjekt) erklärungsgemäß ergangenen Bescheide für die Streitjahre Einsprüche ein.

In einer Außenprüfung für die Jahre 2006 bis 2009 stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) fest, was zwischen den Beteiligten mittlerweile auch unstreitig ist, dass die Kassenführung der Gastronomiebetriebe formelle Fehler aufwies und schätzte Einnahmen hinzu.

Das FG Düsseldorf (FG Düsseldorf vom 14. März 2017 13 K 4146/12 E,U,F) gab der Klage hinsichtlich der Hinzuschätzungen teilweise statt. Die Buchführung sei nicht formell ordnungsgemäß. Es seien zwar keine konkreten materiellen Buchführungsmängel festgestellt worden. Allerdings könne auch nicht zweifelsfrei festgestellt werden, dass die Buchführung trotz formeller Mängel sachlich richtig sei, auch nicht mit Hilfe der Vermögenszuwachsrechnung und der rudimentären Geldverkehrsrechnung.

Anmerkung: überraschend ist, dass das Finanzgericht sich nicht zu der Schwere der formellen Fehler äußerte. Denn natürlich genügen formelle Fehler nicht allein, um die (Kassen-) Buchführung zu verwerfen und dann zu schätzen. Vielmehr ist die Buchführung und die sonstigen Aufzeichnungen zwingend der Besteuerung zugrunde zu legen, § 158 AO, wenn nicht ausnahmsweise die Buchführung auf der Einnahmenseite derart schwere formelle Fehler hat, dass sie entweder nicht mehr prüfbar ist oder aber ihr schlichtweg kein Vertrauen zu schenken ist oder eben aus anderen Gründen Anlass besteht, diesen Einnahmeaufzeichnungen nicht zu folgen. Formelle Fehler isoliert betrachtet, berechtigen insoweit niemals zur Verwerfung der Buchführung. Und formelle Fehler auf der Ausgabenseite berechtigen erst recht nicht, die Einnahmenseite anzuzweifeln und diese zu verwerfen und hinzu zu schätzen. Damit ist die Urteilsbegründung des FG, die Buchführung hätte formelle Fehler, niemals eine Rechtfertigung zur Verwerfung der Buchführung (vgl. BFH v 25.03.15, X R 20/13, RN 34). Obwohl also bloß formelle Mängel vorlagen, dessen sachliches Gewicht nicht mitgeteilt ist, nimmt das FG fälschlich eine Schätzungsbefugnis an mit der Begründung, es sei vom Steuerpflichtigen nicht nachgewiesen, dass keine weiteren Einnahmen vorlagen. Das FG legt dem Steuerpflichtigen die Beweislast auf, bei (ggf. Unerheblichen ) formellen Mängeln das Fehlen von sachlichen Fehlern bei den Einnahmen nachzuweisen. Damit schlagen auch bei eigentlich unerheblichen formellen Fehlern auf der Einnahmenseite Unklarheiten bei der Geldverkehrsrechnung oder anderen Verprobungsmethoden sich zum Nachteil des Steuerpflichtigen nach Auffassung des FG Düsseldorf aus. Dies ist aber unzutreffend. Die Gründe für die Verwerfung muss das FA darlegen und beweisen. Unerhebliche formelle Fehler auf der Einnahmenseite führen nicht zu einer Beweislastumkehr dahingehend, dass die Einnahmen vollständig sind. In dieselbe gedankliche Richtung geht der BFH in seiner Entscheidung vom 12.07.17, in der er darauf abstellt, dass es nicht darauf ankommt, ob theoretisch Zweifel an der Vollständigkeit der Einnnahmeerfassung bleiben, sondern ob die Aufzeichnungen (hier in der BFH-Entscheidung bei der offenen Ladenkasse) dem Gesetz entsprechen. Im BFH-Beschluss vom 12.07.17 (X B 16/17) heißt es dazu in Rn 90 ff wie folgt wörtlich: „[90] (6)Dem FA ist zwar zuzugeben, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers nicht die Gewähr ihrer inhaltlichen Vollständigkeit bieten. Diese fehlende Vollständigkeitsgewähr ist aber im Wesentlichen durch die – zulässige – Verwendung einer offenen Ladenkasse in Kombination mit den geringeren gesetzlichen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der – hier ebenfalls zulässigen – Wahl der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung bedingt. Solange der Gesetzgeber eine derartige Kassenführung und eine derartige Gewinnermittlungsart zulässt, kann aus dem Umstand, dass es hier systembedingt keine Vollständigkeitsgewähr geben kann, jedenfalls bei summarischer Betrachtung keine Befugnis zur Vollschätzung abgeleitet werden. [91] Selbst die Führung der vom FA verlangten Kassenberichte würde keineswegs ausschließen, dass zur Steuerhinterziehung entschlossene Steuerpflichtige einen Teil ihrer Erlöse außerhalb ihrer offenen Ladenkasse vereinnahmen und die entsprechenden Beträge von vornherein nicht in ihre Kassenberichte aufnehmen. Die Kassen-Nachschau – als ein mögliches Instrument einer wirksamen Kontrolle der Vollständigkeit der Ursprungsaufzeichnungen – ist trotz frühzeitiger Kenntnis des Gesetzgebers von der Problematik der vollständigen Einnahmeerfassung in den „Bargeld-Branchen“ erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 in § 146b AO aufgenommen worden (Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152).[92] Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die im Einzelfall vorliegenden Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind, ist nicht, ob das verwendete Aufzeichnungssystem bei hinreichender krimineller Energie noch Möglichkeiten zur Steuerverkürzung bietet, sondern ob es den gesetzlichen Anforderungen genügt.“ (BFH, Beschluss vom 12. 7. 2017 – X B 16/17)

Das FG in der Begründung zur Verwerfung weiter: Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass in der Vermögenszuwachsrechnung sämtliche Vermögensgegenstände des Klägers und in der Geldverkehrsrechnung sämtliche Geldflüsse enthalten seien. Soweit in der Vermögenszuwachsrechnung die Immobilien im Land X fehlten, habe dies zwar keine Auswirkung auf den Vermögenszuwachs, da sie zu Beginn und zum Ende der Streitjahre unverändert vorhanden gewesen seien. Jedoch stehe nicht fest, dass die in der Vermögenszuwachsrechnung angegebenen Bankkonten vollständig seien. Der Zeitreihenvergleich sei im Streitfall ungeeignet, die Schätzung durch Nachkalkulation oder im Wege der Vermögenszuwachsrechnung nicht durchführbar.

Anmerkung: Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vermögenszuwachsrechnung können nicht zulasten des Steuerpflichtigen gehen, da diese Schätzungsmethoden Beweismittelersatz für die angeblich unzutreffende Einnahmeaufzeichnungen in der Buchführung sind. Wenn aber der Beweismittelersatz in sich Zweifel trägt, taugt er möglicherweise nichts, was allenfalls zu dem Ergebnis führt, dass diese Schätzungsmethode nicht geeignet ist. Wenn die Zweifel hinsichtlich der Vollständigkeit in der Schätzungsmethode begründet liegen, können eventuelle Lücken in dieser Schätzungsmethode nicht durch weitere Schätzungen geschlossen werden. Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn sämtliche Schätzungsmethoden Zweifel an ihrer Geeignetheit bzw. Vollständigkeit beinhalten. Geht dann gar keine Schätzungsmethode? Darf dann nicht geschützt werden? Dann wird man wohl die schlechteste aller Schätzungsmethode mit ihren Fehlern jedenfalls ersatzweise anwenden dürfen. Das setzt aber eine Analyse aller Schätzungsmethoden und die Abwägung der jeweiligen Vor- und Nachteile voraus, um dann die beste im Rahmen einer sachgerechten Ermessensentscheidung herauszufiltern. Eine solche Entscheidungsanalse hat das FG allerdings in seinem Urteil nicht nachprüfbar für den BFH dargelegt. Wie aber dabei das FG dann seiner Verpflichtung nachweislich nachgekommen, die sachgerechteste Methode nach § 5 AO zu wählen, ist jedenfalls im Urteil des FG nicht dargelegt, so dass insoweit ein Auswahlermessensfehler ebenfalls in dem Urteil des FG liegt – oder ein Urteilsbegründungsfehler -der allerdings mangels Darlegung der Ermessenserwägungen in dem dadurch unterstellten Ermessensausfall aufgeht.

Das FG Düsseldorf weiter: Die geeignetste Schätzungsmethode sei im Streitfall der äußere Betriebsvergleich. Das FG hat daher eine Richtsatzschätzung im oberen Bereich vorgenommen und gelangte so zu Hinzuschätzungsbeträgen für 2006 von netto xx.xxx €, für 2007 von netto xx.xxx €, für 2008 von netto xxx.xxx € und für 2009 von netto xx.xxx €, mithin in den drei Jahren 2006, 2007 und 2009 unterhalb, im Jahre 2008 oberhalb des seitens des FA angesetzten Betrags.

Anmerkung: das Finanzgericht prüft also hier im Rahmen der Schätzung mehrere verschiedene Schätzungsmethoden. Das ist also hier gedanklich in der erfolgreichen Verwerfung der Buchführung, sodass Paragraf 158 EUR überwunden ist und die Schätzungsmöglichkeit – und Schätzungspflicht – nach Paragraf 162 AO eröffnet ist. Insoweit hat das Finanzgericht eine eigene Schätzungsbefugnis nach Paragraf 96 FGO und darf die von der Finanzverwaltung vorgenommene Schätzung überprüfen, der Höhe nach unten (nicht nach oben wegen des Verböserungsverbots, reformatio in peius) abweichen oder darf auch eine andere Schätzungsmethode wählen und dabei entweder das Schätzungsergebnis das Finanzamt bestätigen oder nach unten abweichen. Hier hat das Finanzgericht hinsichtlich der richtigen Schätzungsmethode sein Ermessen nach Paragraf 5 AO auszuwählen und die sachgerechteste und beste Schätzungsmethode anzuwenden (vergleiche BFH, Urteil vom 25. 3. 15, X R 20/13, RN 34: „Allerdings berechtigen formelle Buchführungsmängel nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen“). Das Problem im vorliegenden Fall war, dass das Finanzgericht seine Schätzungsmethode in der mündlichen Verhandlung nicht offengelegte und nach der Mitteilung des Urteils des BFH die Beteiligten auch nicht auf die Idee kommen konnten, dass das Finanzgericht eine andere Schätzungsmethode als die bislang diskutierten, nämlich hier eine Schätzung nach der Richtsatzsammlung vornehmen würde. Dieses Problem führt auf eine häufig anzutreffende Verfahrensweise vieler Finanzrichter zurück, die spärlich bis gar nicht sich in die Karten blicken lassen und dann überraschende Entscheidungen absetzen. Das ist einerseits nicht rechtmäßig, da natürlich rechtliches Gehör damit verletzt wird, andererseits kein faires Verfahren geführt wird und zwar solche überraschenden Entscheidungen Diskussionen in der mündlichen Verhandlung vermeiden helfen – aber dann häufig zu Fehlurteilen führen, weil ohne die Diskussion im Gerichtssaal in der mündlichen Verhandlung natürlich viele Aspekte dazu nicht vorgetragen werden können, sodass ein solcher überraschender Schwenk des Gerichts gleichsam das Kaninchen aus dem Zauberhut ist, dies aber nichts mit Sachverhaltsaufklärung, richtiger Rechtsfindung und offener Diskussion über die vor und Nachteile der ein oder anderen Schätzungsmethode bzw. Bedenken gegen bestimmte Auslegungen oder Interpretationen oder Gesetzesanwendungen zu tun hat. Wenn die mündliche Verhandlung – wie leider allzu oft in finanzgerichtlichen Verfahren zu erleben – zu einer Farce verkommt, ist dies besonders problematisch, da der finanzgerichtliche Rechtszug in der Tatsacheninstanz nur einstufig ist und die Vermeidung der kritischen Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage durch manche Gewichte nicht der richtigen Rechtsfindung dient. Daher ist das Thema der rechtswidrigen Überraschungsentscheidung und der fehlenden Hinweise des Gerichts ein alltägliches Problem in sehr vielen oder fast allen Finanzgerichtsverfahren. So macht auch vorliegend der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend und rügt beispielsweise die Wahl der Richtsatzschätzung als Schätzungsmethode als eine rechtswidrige Überraschungsentscheidung. Abgesehen von materiell-rechtlichen Bedenken gegen die Richtsatzschätzung —es wäre unsinnig gewesen, eine Gaststätte mit derartigen Gewinnen nach 14 Monaten wieder aufzugeben— habe der Kläger auch nicht damit rechnen müssen, dass das FG kommentarlos die Vermögenszuwachsrechnung verwerfen und die bisher nicht diskutierte Variante der Richtsatzschätzung anwenden würde. Dies widerspreche den Vorgaben des Bundesfinanzhofs (BFH) in dessen Beschluss vom 10. September 2013 XI B 114/12 (BFH/NV 2013, 1947).

Der BFH hat dies im vorliegenden Fall anerkannt und erfreulich das Urteil aufgehoben und zurückverwiesen. Im Beschluss v. 19.01.2018 – X B 60/17 klingt das dann wie folgt:

„Im Übrigen ist die Beschwerde begründet. Es liegt ein von dem Kläger geltend gemachter Verfahrensmangel in Gestalt einer Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann. Zur Straffung des Verfahrens verweist der Senat den Rechtsstreit nach § 116 Abs. 6 FGO bereits im Beschwerdeverfahren zurück.
1. In der Anwendung einer Richtsatzschätzung liegt ein Verstoß gegen die Hinweispflicht aus § 76 Abs. 2 FGO und damit eine Verletzung rechtlichen Gehörs. Eine Überraschungsentscheidung in diesem Sinne setzt voraus, dass das Gericht dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht rechnen musste. Auf rechtliche Umstände, die ein Beteiligter selbst hätte sehen können und müssen, muss er nicht hingewiesen werden (vgl. Senatsbeschluss vom 10. März 2016 X B 198/15, BFH/NV 2016, 1042, unter II.2.).

Grundsätzlich muss das FG seine Schätzungsmethode den Beteiligten nicht offenlegen. Wie aber die überraschende Einführung neuer rechtlicher Gesichtspunkte durch das FG eine Verletzung rechtlichen Gehörs darstellt, so gilt das auch für die Anwendung bisher nicht erörterter Schätzungsmethoden, die in ihrer Qualität einem nicht erkennbaren neuen rechtlichen Gesichtspunkt vergleichbar sind. Daraus folgt noch nicht, dass das FG jede Änderung oder Abwandlung der Schätzungsmethode vorweg offenlegen müsste, wenn und soweit die betreffenden Schätzungsmethoden einander ähnlich oder voneinander abgeleitet sind (vgl. im Einzelnen zu den Hinweispflichten bei Schätzungen BFH-Urteil vom 2. Februar 1982 VIII R 65/80, BFHE 135, 158, BStBl II 1982, 409). Wohl aber ist nach diesen Maßstäben eine Mitteilung geboten, wenn das FG eine Schätzungsmethode verwenden will, die den bereits erörterten Schätzungsmethoden nicht mehr ähnlich ist oder die Einführung neuen Tatsachenstoffs erforderlich wird (Beschluss in BFH/NV 2013, 1947).“ (BFH  v. 19.01.2018 – X B 60/17).
Falsch ist allerdings die Ansicht des BFH, dass das Finanzgericht seine Schätzungsmethode Beteiligten nicht vorher – im Vorfeld der mündlichen Verhandlung oder spätestens aber in der mündlichen Verhandlung – offenlegen müsse. Dann ein faires Verfahren verlangt natürlich nicht nur ein Hinweis des Gerichts auf geplante eigene Schätzungen, sondern auch die zur Diskussion Stellung der Schätzungswege (Rechenwege und Quellen) und Schätzungsergebnisse. Denn nur so ist rechtliches Gehör einerseits gewährleistet und andererseits auch die Chance gegeben, dass die Beteiligten sich hierzu kritisch äußern können und damit in der Instanz Rechen-und Sachfehler erkennen und ansprechen können und diese dann beseitigt werden können. Die grundsätzliche Annahme des BFH, dass das FG die Schätzungsmethode beteiligt nicht offenlegen müsste, verstößt daher gegen Art. 103 GG sowie gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens, Art. 20 Abs. 3 GG und den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG. Zudem ist die Rechtsansicht des BFH problematisch wenn das FG, die beabsichtigte Schätzungsmethode nicht offenlegen müsse, weil man immer diskutieren kann, ob die kundigen Vertreter des Klägers die Gedankengänge des Finanzgerichts hätten erkennen können und von sich aus hierzu zu der geplanten anderen Schätzungsmethode etwas sagen können, ab wann also die eigenen Gedanken das Finanzgerichts offengelegt werden müssen und bis wann noch nicht. Würde der BFH also generell eine Offenlegung geplanter abweichende Schätzung Gedanken vom Finanzgericht fordern, wäre nicht eine Grauzone entstanden, bei der man diskutieren kann auf die neuen Gedanken oder von der bisherigen Schätzungen noch nicht offengelegt werden müssen bzw. ab wann diese offengelegt werden müssen und was versierte Bevollmächtigte erkennen (hellsehen) können und was nicht. So gibt der BFH hier Steine statt Brot: was ist, wenn das Finanzgericht statt einer Bargeldunterdeckungsrechnung des FA nun eine Wareneinsatzunterdeckungsrechnung vornimmt? Muss es hierauf vorher hinweisen oder nicht? Die Beantwortung auf hier bestehende Hinweispflichten, ergibt sich leider nicht klar aus der BFH Entscheidung vom 19.1.2018. Darf statt einer Bargeldunterdeckungskehrsrechnung des Finanzamts das FG eine Vermögenszuwachsrechnung ohne Hinweise machen und dann im Urteil seiner Entscheidung zugrunde legen? Darf das Finanzgericht wegen streitiger, angeblich ungeklärte Geldzuwächse (angeblich ungeklärte Mittelherkunft) eine Geldverkehrsrechnung mit der Schätzung privaten Bargeldkonsums erst im Urteil ohne vorherige Gelegenheit zur Stellungnahme machen? Wenn Anfangsbestände bei einer Bargeldunterdeckungsrechnung bei einem Einnahme-Überschussrechner nicht ermittelbar sind und damit die Schätzungsmethode des FA nicht durchführbar ist, darf dann das FG eine Vermögenszuwachsrechnung machen? Darf das FG, wenn die Richtsatzsammlung aus Sicht des FA nicht passt und die untersten Werte der Richtssatzsammlung vom FA unterschritten werden, dennoch die Richtsatzsammlung anwenden. Ab wann ist also eine den bereits erörterten Schätzungsmethoden nicht mehr ähnlich? Und was ist in den Fälle, in denen mehrere oder viele Schätzungsmethoden diskutiert und viele in der BP oder im Rechtsbehelfsverfahren verworfen wurden … darf auf einer dieser in einem frühen Stadium diskutierten Schätzungsmethoden dann das FG ohne Hinweis und ohne Erörterung einfach im Urteil zurückspringen? Wären da die Beteiligten nicht erst Recht sehr überrascht, wenn eine beiderseits für falsch gehaltene, früher einmal diskutierte Schätzungsmethode dann doch im Urteil auf einmal wieder als die angeblich richtige auftaucht? Ist das dann nicht besonders überraschend, wenn beide Beteiligte diese Methode übereinstimmend früher als falsch erkannten und davon einvernehmlich übereinstimmend abwichen? Und warum ist die auf ihren Aussageinhalt nie überprüfte Richtsatzsammlung überhaupt eine geeignete Schätzungsgrundlage (vgl. Burkhard, BBP 2017, 14 ff)?
Schließlich ist die Entscheidung das BFH vom 19.1.2018 völlig inakzeptabel im Hinblick darauf, dass der BFH selbst von Prüfern die Offenlegung etwa der Berechnungen bei Ausbeutekalkulationen verlangt, damit der Steuerpflichtige sich sachgerecht verteidigen kann. So hat der BFH schon für „klassische“ Kalkulationen in Papierform entschieden, dass sowohl die Kalkulationsgrundlagen als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, offengelegt werden müssen (vgl. BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96, unter 2.b, und vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 4.c). In seiner Entscheidung zum Zeitreihenvergleich hat der BFH darüber hinaus ausgeführt, dass auch die spezifischen „Daten“, auf denen der Zeitreihenvergleich basiere, offengelegt werden müssen (Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 49; ebenso bestätigend: BFH  v. 25.07.2016 – X B 213/15, X B 4/16). Warum diese Gedanken zur Offenlegung der Schätzungsgrundlagen nicht aber auch gegenüber einer Schätzungsmethode des Finanzgerichts gelten, ist nicht verständlich. Warum das Finanzgericht diese Schätzungsmethode für sich geheim halten können soll und dann erst im Urteil – lange nach der mündlichen Verhandlung seine Berechnungen im Urteil erst darlegen muss ohne dass der Steuerpflichtige sich zuvor gegen diese Gedanken und Schätzungen wehren oder hierzu Stellung nehmen könnte, lässt sich nicht verstehen.

Fazit: erfreulich ist die BFH-Entscheidung vom 19.01.18, soweit bei neuen Schätzungsmethoden durch das FG eine Hinweispflicht dem FG abverlangt wird. Erschreckend ist die BFH-Entscheidung, soweit sie keine generelle Offenlegung der Schätzungsmethoden und Berechnungen vom FG schon im Vorfeld einer mündlichen Verhandlung und erst Recht in der mündlichen Verhandlung verlangt und dabei gegen eigene Grundsätze gegenüber den Prüfern und gegen Art 19 IV, Art 20 III und Art 103 I GG verstößt.