Die Selbstanzeige im Wandel: Was ist neu – Wo sind die Probleme – Wie vermeide ich Haftungsrisiken?

Steuerberaterbezirksgruppe Wetzlar, Mi., 20.01.2016

Die Selbstanzeige im Wandel: was ist neu – wo sind die Probleme – wie vermeide ich Haftungsrisiken?

Präsenzseminar bei der Steuerberater-Bezirksgruppe Wetzlar in Löhnberg am Mi., 20.01.2016

von Dr. jur. Jörg Burkhard, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt Strafrecht

in 20 Fällen erläutert Dr. Jörg Burkhard  anschaulich die typischen Probleme und Beraterfallen in der Praxis bei Selbstanzeigen. Die Selbstanzeige ist eine wichtige Möglichkeit, steuerliche Fehler in der Vergangenheit zu beseitigen. Würde es sie nicht geben, was manch einer wohl etwas unbedacht fordert, könnten bei Dauersachverhalten die Steuerpflichtigen nicht insoweit steuerehrlich in den aktuellen Erklärungen sich erklären, ohne sich gleichzeitig für die Vergangenheit selbst zu belasten. Da stets ein Abgleich in der Prüfung der aktuellen Erklärung mit der oder den letzten Erklärungen stattfindet, würden beispielsweise bislang nicht erklärte ausländische Kapitaleinkünfte, würden sie in einem Jahr erstmals erklärt, zwangsläufig zu der Nachfrage vom FA führen, seit wann das betreffende Konto im Ausland besteht.  Kontounterlagen und Kontoeröffnungsunterlagen würden angefordert…

Dies gilt natürlich auch für andere Lebenssachverhalte: Tauchen auf einmal Mieteinkünfte auf, stellt sich die Frage, seit wann vermietet ist und seit wann man Eigentümer/Nutzungsberechtigter des Hauses/der Wohnung/der Mietsache ist. Mietverträge würden angefordert … Bei dieser Gelegenheit werden dann nicht nur eventuelle nicht erklärten Erlöse in den Vorjahren aufgedeckt, sondern auch die Herkunft der Mittel hinterfragt: langjährige schwarze Einnahmen aus unverjährten Zeiträumen, die noch nachversteuert werden können bzw. müssen? Schenkungen oder Erbschaften? Vielleicht kämen dann durch diese Unterlagen auch andere Personen mit anderen Sachverhalten in den Focus der Prüfer: die Zahlung der 50.000 € an die Tante oder Schwester … Darlehen, Schenkung, sonstiger Rechtsgrund? Wo sind die Zinsen, was ist mit der Schenkungssteuer?

Kurzum: die Selbstanzeige ist eine wichtige Möglichkeit, nicht nur die Vergangenheit zu bereinigen, sondern auch den Weg für aktuell zutreffende Steuererklärungen zu sorgen. Sie ist daher unter vielen Aspekten ein wichtiger Baustein zu Steuerehrlichkeit und damit auch zur Steuergerechtigkeit, wenn es so etwas überhaupt gibt. Die politischen Meinungen um die Berechtigung der Selbstanzeige bzw. zur teilweise geforderten Abschaffung der Selbstanzeige haben dazu geführt, dass die Selbstanzeige zum 03.05.2011 und nunmehr erneut zum 01.01.2015 deutlich verschärft wurde. Sie ist nicht nur teurer geworden, sondern vor allem auch komplizierter. Kohlmann beschrieb die Selbstanzeige einst als die goldene Brücke in den Weg der Steuerehrlichkeit zurück. Ob dieses Bild der goldene Brücke angesichts der  Verteuerungen noch passt und ob dieser Weg wegen der Fallstricke und Verkomplizierungen nicht ein Weg zwischen Stacheldraht und Tretminen ist, kann man diskutieren. Dies bedeutet für die Berater, die berufsmäßig für Dritte Selbstanzeigen fertigen, dass sie diese Fallstricke und Probleme bei der Selbstanzeigeberatung (er-)kennen und lösen müssen. Die Verschärfungen, die eigentlich die hinterziehenden Steuerpflichtigen treffen sollen, müssen daher vom Berater gekannt und umschifft werden. Die Probleme in der täglichen Abwicklung und die Vermeidung von Haftungsfällen ist daher bei der professionellen Selbstanzeigeberatung ein zentrales Thema. Es ist nicht der Fall, in dem der Steuerpflichtige „zocken“ möchte und die Selbstanzeige, obwohl sie eigentlich einreichefertig ist, noch nicht am Jahresende, sondern erst zu Beginn des nächsten Jahres einreichen möchte, um damit bei der Verjährung das letzte – oder je nach damaligem Abgabeverhalten sogar vielleicht im Ausnahmefall mal 2 Jahre in die steuerliche Verjährung zu bekommen. Es sind viel mehr ganz normale Selbstanzeigefälle, bei denen der Steuerpflichtige steuerehrlich werden will und dennoch Gefahren bestehen: etwa solche: sind die Bankunterlagen vollständig? Können die Bankunterlagen bedenkenlos der Selbstanzeige zugrunde gelegt werden? Was ist, wenn die Bankunterlagen zeigen, dass etwas fehlt, etwa die Bank ein Unterkonto vergessen hat auszudrucken und die Erträge nun von diesem Unterkonto fehlen? Können die nachgereicht werden? Oder die Steuerfachgehilfin hat bei der Auswertung einen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn übersehen? Solche Fehler im Steuerberatungsbüro oder bei der Bank sollen nach derzeitiger Rechtslage dem Steuerpflichtigen das Genick brechen: verschiedentlich wird die meines Erachtens falsche Auffassung vertreten, dass es nicht auf die Umstände des Fehlers ankommt, sondern schlicht nur zu prüfen ist, ob die Selbstanzeige vollständig war oder nicht. Es ist also eine rein mathematische Betrachtungsweise ohne Berücksichtigung des subjektiven Willens des Steuerpflichtigen, ob er sich vollständig erklären wollte oder nicht. Damit werden Fehler in der Bearbeitung zum Risiko für den Steuerpflichtigen, obwohl der aus seiner Sicht alles macht, um straffrei zu werden. Einfaches menschliches Versagen bei der Bank oder beim Berater wird daher zum Risiko für den Steuerpflichtigen. Denn die Unvollständigkeit der Selbstanzeige bedeutet Unwirksamkeit der Selbstanzeige insgesamt. Das ist dann so ein Hoeneß-Fall. Damit aber bedeutet eine unvollständige Selbstanzeige, wenn die Fehler im Steuerbüro passierten, ein Haftungsfall für den Steuerberater. Wenn die Fehler bei der Bank passierten und der Steuerberater erkennt die Fehler nicht, aber der Fahnder erkennt die Fehler bei der Auswertung derselben Unterlagen, wird so mancher Mandant auch Schadenersatz von seinem Berater fordern, weil er meint, der hätte den Bankenfehler auch erkennen können und ihn warnen müssen bzw. die Selbstanzeige so noch nicht einreichen dürfen … ob dies wirklich ein schadenersatzbegründender Fehler ist, weil der Auftrag nicht auf Prüfung auf Vollständigkeit, sondern nur auf Zusammenstellung der eingereichten Unterlagen geht oder ob wegen des Auftrages zur Erstattung einer vollständigen Selbstanzeige als Nebenpflicht diese Prüfung der Unterlagen (für die der Steuerpflichtige in der Regel nichts bezahlen will) auf Vollständigkeit dazugehört, ist eine Frage, die kein Berater wirklich mit seinem Mandanten diskutieren möchte. Also stellt sich die Frage, wie man solche Unvollständigkeitsfallen im Vorfeld vermeidet…

Dann neigen viele Steuerberater berufsbedingt natürlich dazu, erst einmal alle Belege zusammenzustellen und dann, wenn -wie bei den normalen Erklärungsmandaten auch, alle Unterlagen zusammengestellt, alles berechnet ist, dann erst die Erklärung einzureichen … was ist aber in der Zwischenzeit, wenn ein Sperrwirkungstatbestand entsteht, etwa dem gewerbetreibenden Steuerpflichtigen eine Prüfungsanordnung  wegen ESt, GewSt und USt zugeht und damit auch die privaten Kapitaleinkünfte gesperrt sind, oder aus sonstigen Gründen ein Sperrwirkungstatbestand entsteht ….. haftet dann der Steuerberater? Hätte er nicht statt einer einstufigen Selbstanzeige gleich eine zweistufige wählen müssen und den Steuerpflichtigen gleich schützen müssen? Berufsrechtlich hat er den sichersten Weg für den Mandanten zu wählen ….

Oder der etwas ältere selbstanzeigewillige bislang steuerlich nicht vertretene Mandant fragt nach einer Selbstanzeige, meint, er hätte ein paar Kapitalerträge nicht erklärt, nur seine beiden Renten habe er zuletzt erklärt und dann habe das FA gemeint, er müsse keine Erklärungen mehr abgeben … er kann aber mangels Unterlagen die Höhe der Kaptalerträge nicht konkretisieren …. 1.000 € im Jahr, im Monat … kann schon sein, es sei auf mehrere Banken verteilt und er habe leider keinen Überblick. Er sei etwas vergesslich. Altersbedingt. Vielleicht erste Ansätze von Demenz? Das Erstgespräch verläuft schleppend: man trennt sich: er mit der Aussage, dass er Angst vor Strafe habe und Sie ihn schützen sollen, Sie mit der Auflage, dass er aussagefähige Unterlagen kurzfristig herbeibringen solle. Er aber kommt nur zögerlich mit Unterlagen und Informationen herbei: nach 2 Wochen kommen unvollständige Unterlagen über ein paar Kapitalerträge, nach weiteren 3 Wochen kommt er und berichtet über ein paar Mieteinnahmen … er ist nicht bösartig, aber er muss die Sachen erst mal suchen und er ist schließlich auch nicht mehr der jüngste. Dann habe er Arzttermine, letzte Woche war ihm nicht gut …usw. Der Steuerberater hat schließlich die Bankunterlagen der letzten 13 Jahre angefordert: die Bank hat nur noch die letzten 10 Jahre … bei Nachforschungen und der Sichtung von Kontoauszügen zeigt sich, dass da die Mieterträge aus zwei 4-Parteien-Mietshäusern und umfangreiche Kapitalerträge und Spekulationsgewinne und -verluste und bis vor acht Jahren ein offenbar gewerblicher Handel mit Spirituosen stattfand. Die Unterlagen der ausländischen Bank – dem eigentlichen Start des Selbstanzeigegesprächs vor mittlerweile 6 Wochen sollen „demnächst“ kommen – wann immer das auch sein mag. Was ist eigentlich, wenn die vom Zoll geöffnet werden? Im Dilemma der Vollständigkeit und der schnellen Selbstanzeige bevor Sperrwirkungstatbestände im Sinn des § 371 Abs. 2 AO scheint dies eine für den Berater kaum lösbare Zwickmühle zu sein: und mal Hand aufs Herz: wer ahnt schon bei den angeblich nicht versteuerten „ein paar Kapitalerträgen“ beim Erstgespräch, dass da ein Gewerbebetrieb und umfangreiche Vermietungstätigkeiten noch mit angezeigt werden könnten oder sollten. Wieviel Belege und Informationen braucht der Berater um eine Selbstanzeige einreichen zu können. Was ist der beste, sicherste Weg? Wie vermeidet der Berater einen Haftungsfall?

Dies und viele andere praxisnahe Probleme bei der professionellen Selbstanzeigeberatung erläutert Dr. Burkhard anschaulich, lebendig, unterhaltsam mit Checklisten und Praxishinweisen …exklusiv für Steuerberater … ein toller, spannender und höchst informativer Vortrag …. ca. 1,5 Stunden geballtes Wissen

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