Aber in der letzten Prüfung war das doch gar kein Prüfungsgegenstand

In Gesprächen mit Mandanten in einer Betriebsprüfung höre ich immer wieder das klagende Argument: „Aber in der letzten Prüfung war das doch gar kein Prüfungsgegenstand. Der letzte Prüfer hat das doch anstandslos akzeptiert.“

Vertrauensschutz aus der letzten Betriebsprüfung?

So sehr ich diesen Aspekt einerseits verstehen kann, so muss ich andererseits darauf hinweisen, dass aus dem Prüferverhalten und den bloß mündlichen Zusagen eines Prüfers, die im Regelfall auch gar nicht beweisbar sind, keine Schutzwirkungen und keine Schutzargumente für die derzeitige Prüfung sich herleiten lassen.

Ursachen für verändertes Prüfungsverhalten

Die Ursachen für solch scheinbar verändertes Prüferverhalten können in folgenden Umständen liegen:

Bei der letzten Prüfung kann der Prüfer einen Aspekt gar nicht gesehen haben. Dann kann der Sachverhalt zwar gleichbleibend sein, aber dem letzten Prüfer ist dieser Punkt gar nicht aufgefallen.

Der letzte Prüfer war einfach fachlich nicht so fit und hat das Problem nicht gekannt.

Der ehemalige Prüfer hat einfach andere Prüfungsschritte gemacht und dieses Problem in den Unterlagen gar nicht gesehen.

Der vormalige Prüfer hatte nicht die Hilfsmittel, die der jetzige Prüfer hat: der neue Prüfer muss also nicht besser oder schlauer sein, sondern nutzt vielleicht nur WIN-Idea mit seinen fast 200 Makros (= kleine Programme) und andere Prüfhilfen und wird programmbedingt auf vermeintliche Fehler hingewiesen.

Der Fokus der Finanzverwaltung hat sich in den letzten Jahren geändert.

So ist die Kasse beispielsweise immer mehr in den Vordergrund gerückt. Eine Kassenprüfung aus 1995 oder 2008 ist mit einer heutigen Kassenprüfung auch nicht ansatzweise vergleichbar.

Durch Win IDEA und die fast 200 Makros werden die Prüfungen schneller, effizienter und tiefgreifende, sodass vielen Prüfern mehr Punkte auffallen als früher und kleinere Fehler, die beim Durchblättern der Papierbelege schon mal übersehen wurden, werden heute durch die Elektronik gnadenlos herausgefiltert und aufgedeckt.

Der Prüfer hat vielleicht damals auch einzelne Punkte nicht aufgegriffen, weil er schon genügend andere Punkte hatte. Oder er hatte insgesamt von der Buchführung den Eindruck, dass sie korrekt war und hat dann aufgrund der Wesentlichkeitsmaxime – wonach er sich nur auf die wesentlichen Fehler zu beschränken hat – diese paar Punkte nicht weiter angesprochen und thematisiert.

Der Prüfer hatte zu wenig Zeit oder war zu flüchtig oder hatte gedanklich vielleicht schon ihre Prüfung abgeschlossen und keine Lust mehr, den schon fast fertigen Prüfungsbericht zu ergänzen oder ändern oder noch mal ein größeres Fass aufzumachen, sondern wollte die Prüfung abschließen, gerade weil eine andere größere Prüfung von begann und vielleicht viel mehr Beachtung benötigt als ihr kleiner Fall.

Natürlich kann der frühere Prüfer auch andere Schwerpunkte gebildet haben oder auch vorgegeben bekommen haben, sodass er nach ganz anderen Sachen suchte als eben die heute bei der heutigen Betriebsprüfung aufgrund veränderter Schwerpunkte herausgebildeten Prüfungsthemen und Prüfungsschwerpunkte.

Fazit: jede Prüfung ist anders

Kurzum: Jede Betriebsprüfung ist anders. Jede Betriebsprüfer und jede Betriebsprüferin ist anders. Auch wenn wir von einer Gleichmäßigkeit der Besteuerung sprechen, zu der auch eigentlich eine Gleichmäßigkeit der Prüfung gehört, kann man natürlich nicht verleugnen, dass die Prüfer einen unterschiedlichen Ausbildung-und Wissensstand haben, unterschiedliche Vorerfahrungen, unterschiedliche Animositäten und aus unterschiedlichen Ansätzen ganz andere Rückschlüsse ziehen. 

Jeder Prüfer ist anders

Daher kommen zwei unterschiedliche Prüfer auch heute bei gleicher Ausbildung und dem eigentlich gleichen Fall durchaus nicht zu den gleichen Ergebnissen. Dies bedeutet aber umgekehrt, dass kein Steuerpflichtige sich wirklich darauf berufen kann, dass damals nicht beanstandete Punkte auch in einer neuen Prüfung unbeanstandet bleiben.

Der Steuerpflichtige kann sich nicht einmal sicher sein, dass diese Punkte, die heute Prüfungsthema sind, damals auch geprüft wurden. Auch wenn das damals eine Vollprüfung war, heißt das natürlich nicht, dass alle Punkte tatsächlich geprüft wurden. 

Beschränkung der BP auf Stichproben und Schwerpunkte

Natürlich kann und wird sich der Prüfer auf Stichproben und Schwerpunkte beschränken. Dies ist in jeder Prüfung so. Damit gibt es keinen Vertrauensschutz für den Steuerpflichtigen dahingehend, dass in früheren Jahren nicht aufgegriffene Punkte auch in künftigen Jahren nicht aufgegriffen werden.

Das ist vielleicht so wie mit ihrer alten Heizungsanlage: wenn der Schornsteinfeger die letzten 10 Jahre diese nicht bemängelt hat, können Sie auch daraus nicht zwingend schließen, dass die Heizungsanlage dann auch die nächsten 10 oder 20 Jahre problemlos laufen wird und auch den Umweltrichtlinien und Emmissionsschutzwerten noch entspricht.

Verbindliche Zusage nach § 204 AO

Es hilft nur eines: Wenn Ihnen ein bestimmtes Thema in der BP wichtig ist und sie hier Klarheit auch für die Zukunft nach einer Betriebsprüfung haben möchten, dann müssen Sie unbedingt nach einer Betriebsprüfung eine verbindliche Zusage gemäß § 204 AO beim Finanzamt beantragen.

Ansonsten gelten die Feststellungen nur für den Prüfungszeitraum und nicht darüber hinaus. Die meisten Steuerpflichtigen freuen sich dabei, wenn es keine oder nur ganz wenige Feststellungen gibt. Denn so werden die Punkte genannt, die zu Abweichungen in der Veranlagung führen und im Regelfall kosten die Geld, nämlich Steuern, weil der Prüfer etwas gefunden hat, was er beanstandet und was dann der Veranlagungsbezirk in Auswertung des Berichts ändern soll.

Der BFH formuliert das so:

„Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der streitige Sachverhalt durch das FA bei vorangegangenen Betriebsprüfungen nicht beanstandet wurde, begründet dies nach ständiger Rechtsprechung keinen Vertrauensschutz. Eine Bindung des FA an eine früher erfolgte rechtliche Beurteilung kann sich nur aufgrund einer verbindlichen Zusage gemäß § 204 AO oder einer nach Treu und Glauben verbindlichen Auskunft ergeben (z.B. BFH-Urteile vom 31. Mai 2007 V R 5/05, BFHE 217, 290, BStBl II 2011, 289, m.w.N.; vom 30. April 2009 V R 3/08, BFHE 226, 144). Dafür ist nichts ersichtlich.“

Quelle: BFH Urteil v. 24.01.2013 – V R 34/11 BStBl 2013 II S. 460

Ergebnis

Aus einer früheren Vollprüfungen und dort nicht erfolgten Beanstandungen eines bestimmten Sachverhaltes folgt also nicht eine verbindliche Zusage oder eine verbindliche Auskunft, dass dieser Punkt auch künftig nicht aufgegriffen wird. Anders formuliert: eine frühere Nichtbeanstandung in der letzten BP sagt nicht, dass dieser Punkt überhaupt geprüft wurde und auch nicht, dass dessen steuerliche Behandlung für richtig befunden wäre und sagt auch nicht, dass dieser Punkt dann künftig nicht aufgegriffen werden könnte oder dürfte.

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